Abstract
Dass traumatische Erlebnisse in der Elterngeneration Auswirkungen auf deren Nachkommen haben können, ist in der Forschung als weitestgehend belegt anzusehen. Unklar ist jedoch nach wie vor, was genau weitergegeben wird und wie die transgenerationale Transmission stattfindet. So werden neben unbewussten Identifikationsprozessen, frühkindlichen Sozialisationserfahrungen und gestörter Familienkommunikation sogar biologische, (epi-)genetische Faktoren als Auslöser transgenerationaler Prozesse angeführt. Dass auch der gesellschaftliche Kontext und die (Nicht-)Anerkennung sowie die öffentliche Thematisierbarkeit des Erlebten einen maßgeblichen Einfluss auf die genannten individuellen und familiären Indikatoren und damit auf die Ausgestaltung transgenerationaler Transmissionsmechanismen nehmen, wurde in der psychologischen Forschung bisher kaum systematisch berücksichtigt. Eine Verknüpfung klassischer (psychologischer) Theorien mit (soziologischen) Theorien zu sozialen Gedächtnissen kann dabei helfen, transgenerationale Erinnerungsprozesse in ihrem sozialen Kontext zu verorten. Dieser Artikel zeigt einerseits auf, welche theoretischen Leerstellen durch eine solche Verknüpfung geschlossen werden können. Außerdem wird anhand von Interviews mit Nachkommen von Personen, die während der NS-Zeit aus politischen Gründen verfolgt wurden, empirisch nachgezeichnet, auf welche Art individuelle, familiäre und kollektive Erinnerungsprozesse in Ost- und Westdeutschland miteinander verwoben sein können.
Publisher
Verlag Barbara Budrich GmbH
Reference49 articles.
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