Abstract
ZusammenfassungEine medizinische Anwendung von Genome-Editing (GE) an menschlichen Embryonen in vitro im Reproduktionskontext ist durch die Entdeckung einer entsprechenden Nutzung von CRISPR/Cas (Jinek et al. 2012; siehe Fehse et al., Kap. 7; siehe auch Fehse et al. 2021) in den Bereich des Machbaren gerückt. Spätestens seit 2015 wurde die Möglichkeit, genetische Erkrankungen durch die „Korrektur“ von Genen vor deren Ausbruch ggf. auch für Nachkommen zu „heilen“, international sowohl unter Wissenschaftlern als auch in den Medien und innerhalb der Gesellschaft intensiv diskutiert. Aufgrund des rasanten Fortschritts der Forschung und Anwendung von CRISPR/Cas auch an menschlichen Zellen kam es dabei jeweils ausgelöst durch aufsehenerregende neue Versuche innerhalb weniger Jahre zu zwei bemerkenswerten Umbrüchen in der Debatte. Das erste, 2015 berichtete GE an nicht lebensfähigen menschlichen Embryonen im Forschungskontext (Liang et al. 2015) führte innerhalb der Wissenschaftscommunity zu Unsicherheiten und zog Rufe nach einem zeitlich befristeten Moratorium vor allem für den Anwendungskontext (Baltimore et al. 2015; Lander 2015; Reich et al. 2015), aber auch nach einem kompletten Verbot selbst für den Forschungskontext (Lanphier et al. 2015) nach sich. Ein Moratorium sollte dazu genutzt werden, Diskussionen anzustoßen, um zu einer Entscheidung über die ethische Zulässigkeit von Keimbahninterventionen (KBI) sowie zu einem breiten gesellschaftlichen Konsens zu deren Erwünschtheit zu finden. Zu diesem Zeitpunkt war man sich selbst auf der medizinischen Ebene unklar darüber, „ob und inwieweit es nützliche klinische Anwendungen für Keimbahnanwendungen gibt“ (NCoB 2015: 16). Entsprechend groß war die Verunsicherung auf der ethischen Ebene, sodass zum Teil davon ausgegangen wurde, es ließe sich in diesem Fall überhaupt nicht zwischen „moralisch richtig“ und „moralisch falsch“ unterscheiden (Reich et al. 2015: 21). Die wiederholten Rufe nach einer gesellschaftlichen Debatte durch Gremien, die zur Klärung ebensolcher ethischer und rechtlicher Fragen eingesetzt wurden (u. a. NASEM 2015; EGE 2016; DER 2017; CCNE et al. 2020; EGE 2021), waren Ausdruck dieser Verunsicherung und muteten eher wie ein Versuch an, wenigstens eine Forderung aufzustellen. Dabei mangelte es an einer Spezifizierung, warum und wie die Gesellschaft einbezogen werden sollte (Kaelin 2018), die Rufe blieben phrasenhaft, akzeptanzheischend.
Publisher
Springer Berlin Heidelberg