Abstract
ZusammenfassungDie Eröffnung des Instituts für Höhere Studien (IHS) in Wien im Jahr 1963 fiel in die Wonnejahre der empirischen Sozialwissenschaften, die damals, wie nie zuvor und danach, bewundert und gefördert wurden. Der Initiator des IHS war Paul F. Lazarsfeld (1901–1976), der seine Geburtsstadt 1933 Richtung New York verlassen hatte und anlässlich eines Besuches 1958 das bedauernswert niedrige Niveau österreichischer Wissenschaften durch die Gründung einer Ausbildungseinrichtung für moderne Sozialwissenschaften zu heben vorschlug. Die Ford Foundation akzeptierte diese Idee und finanzierte die Gründung. Lazarsfelds ursprüngliche Konzeption wurde nur zum kleinsten Teil verwirklicht. Ein vergleichender Blick auf seine früheren Institutsgründungen zeigt, dass dieser, sich selbst als „managerial scholar“ verstehende frühere politische Aktivist Pläne nicht stur verfolgte, sondern der Strategie des Possibilismus folgte. Die historisch-soziologische Analyse legt einige Schlußfolgerungen für die Wissenschaftsforschung nahe: Erfolge und Mißerfolge von Institutsgründungen sind kausal nicht zurechenbar; Modelle nicht exportierbar und Vorbilder von nur beschränktem Nutzen. Eine soziologisch informierte Geschichte (sozial-) wissenschaftlicher Gründungen sollte die Idee der Planbarkeit wissenschaftlichen Fortschritts durch die der Kontingenz ersetzen und sich vergegenwärtigen, dass je reichhaltiger der Pool an institutionellen Arrangements ist, desto vielgestaltiger Neuigkeiten werden können, was wiederum die Hoffnung befördern kann, dass dann auch interessantere wissenschaftliche Ergebnisse zustande kommen werden.
Publisher
Springer Fachmedien Wiesbaden
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